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Ingenieure statt Fließbandarbeiter
Laut Bundesamt für Statistik haben 15Mio der 82Mio Einwohner Deutschlands einen migratorischen Hintergrund. Deutschland ist ein multikulturelles Land. Sogar in den kleinsten Städten der neuen Bundesländer findet man zahlreiche Ausländer: Türken, Kroaten, Polen und dutzende anderer Staatsangehörigkeiten, darunter immer mehr Spanier. Die wenigsten davon sind ehemalige Gastarbeiter, die in den 60er Jahren nach Deutschland kamen, um sich am Fließband etwas Geld für einen Neuanfang in ihrer Heimat zusammen zu sparen, und nie nach Hause zurückgekehrt sind. Neben diesen Einzelfällen findet man immer mehr Studienabsolventen spanischer Herkunft, nicht nur auf den Straßen und in den Kneipen Berlins, welches die Spanier in den vergangenen Jahren sehr häufig als Urlaubsziel gewählt haben, sondern auch in den Büros mehrerer Groß- und mittelständischen Unternehmen. Ihre Anzahl wird in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich deutlich ansteigen.
29% der Spanier in einem Alter zwischen 25 und 64 Jahren konnten 2009, den Statistiken der OCDE (Organisation for Economic Co-operation and Development) zufolge, einen Universitätsabschluß nachweisen. Dieser Prozentsatz steigt eindeutig, wenn man sich auf die Altersgruppe 25-34 Jahre beschränkt. In diesem Fall ist von 39% Studienabsolventen die Rede.
Seit Mitte der achtziger Jahre haben immer mehr spanische Familien ihre Kinder bei der Entscheidung für das Studium und gegen die Berufsausbildung unterstützt. Damit, haben sie sich erhofft, könnten sie ihren Nachfolgern einen gewissen Wohlstand verleihen. Es wurde davon ausgegangen, eine höhere Bildung würde ein besseres Gehalt garantieren. Entgegen dieser Erwartung haben sich bereits Ende der neunziger Jahre viele junge und gebildete Menschen einen relativ gut bezahlten Arbeitsplatz hart erkämpfen müssen. Während der Mangel an handwerklich ausgebildeten Arbeitskräften anstieg, vergrößerten sich die Probleme der Studienabsolventen bei der Arbeitssuche stetig. Dennoch legte die Generation, die sich den Zugang zu einer höheren Bildung hart erarbeiten musste, weiterhin großen Wert auf den Universitätsbesuch ihrer Kinder.
Etwa zehn Jahre lang, bis ca. 2008, fanden sowohl Facharbeiter als auch Universitätsabsolventen schnellen Zutritt in die Arbeitswelt und konnten in den meisten Fällen stolz von ihrem Einkommen erzählen. Seitdem steigt die Arbeitslosigkeit täglich: Ende April erreichte sie den Rekordwert von 24,44% (5.639.500 Arbeitslose). Betrachtet man nur die Bevölkerung unter 34 Jahren steigt diese Prozentzahl auf erschreckende 48,61%. Junge Menschen ohne Zukunftsperspektive, die bei ihren Eltern wohnen müssen und sich weder Auto noch Wohnung leisten können sind jetzt bereit, den Schritt zu wagen, den ihre Großeltern schon einmal taten: Sie packen ihre Koffer und folgen Angela Merkels Aufruf. Und nach und nach füllen sich unsere Straßen mit nicht mehr so kleinen dunkelhaarigen Spaniern, die sich bemühen Deutsch zu lernen und sich bei uns einzuleben. Doch diesmal ist die Ausgangslage eine Bessere: Sie kommen als Ingenieure wichtiger Unternehmen, aber mit demselben Traum ihrer Großeltern, nämlich eines Tages, wenn Spanien die Wirtschaftskrise überwunden hat, nach Hause zurück zu kehren.
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